Anhand der Hungerblockade von Leningrad hat die Muthesius-Studentin Roma-Nastasia Nebel eine audiovisuelle Installation geschaffen, die Traum und Trauma verbindet. Ihre Raum-Klang-Installation ist in der Ausstellung zur Belagerung von Leningrad im Flandernbunker zu sehen.
Am 8. September 1941 begann die Belagerung von Leningrad – heute St. Petersburg. Nazideutschland ließ eine Million Zivilisten während der Blockade verhungern. Rund eine halbe Million sowjetische Soldaten sind im Kampf um Stadt gefallen. Am 27. Januar 1944 – also nach 872 Tagen – wurde Leningrad von der sowjetischen Armee befreit.
Im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus wurde im Flandernbunker eine Ausstellung zur Blockade Leningrads eröffnet. Ihr Titel: „Niemand wird vergessen und nichts wird vergessen“. Der Verein „Mahnmal Kilian“ zeigt diese Ausstellung in Kooperation mit der „Jüdischen Gemeinde Kiel und Region“ und der Muthesius Kunsthochschule.
Roma-Nastasia Nebel studiert Raumstrategien an der Muthesius und hat für die Ausstellung eine Raum-Klang-Installation entwickelt. Es ist ein rund sechs Meter langes und eineinhalb Meter breites Holzgestell geworden. Der begehbare Tunnel ist mit schwarzem und lichtdurchlässigem Stoff verhüllt und von der Decke kommt der Sound, der die Besucher*innen in die Welt des Träumens mitnimmt.
“An Träumen finde ich vor allem die Struktur- und die komplette Orientierungslosigkeit spannend. Man weiß oft nicht, wo man überhaupt ist und wohin man geht. Und warum überhaupt.”
Die Installation und die Ausstellung sind im Flandernbunker untergebracht. Einst schützte er die Kieler Bevölkerung vor den Bomben, heute ist er ein Anti-Kriegs-Mahnmal. Die Atmosphäre sei einzigartig, sagt Roma.
„Ich kann das gar nicht so gut beschreiben, was ich fühle, wenn ich im Flandernbunker bin. Es ist ein Vergangenheitskomplex, den ich nicht fassen kann, weil ich keine Berührung damit habe. Ich habe keinen Krieg erlebt und keine Familienmitglieder oder Großeltern, die es erlebt haben oder mir davon erzählen können. Deswegen ist es für mich eine andere Herangehensweise geworden, weil ich den Raum alleine erforsche.“
In ihrer Raum-Klang-Installation verknüpft Roma die Orientierungs- und Strukturlosigkeit des Traums mit dem Trauma: Mit Krieg, Terror, Angst und Unwissenheit. Mit der Frage, wie es weitergeht. Zwölf Tracks, die insgesamt 26 Minuten gehen, erzählen das Wiedererleben eines traumatischen Ereignisses.
„Zuerst geht es um den Normalzustand, der sich dann ganz langsam zu den Erinnerungsfetzen des traumatischen Ereignisses und dann zu den vollen Erinnerungen hinwendet. Das ist dann der akustische Höhepunkt. Schließlich kommt es später zu vollen Akzeptanz.“
Die Verarbeitung des Traumas steht also im Mittelpunkt der Installation. Und am Ende kommt der Neuanfang. Durch die dunklen und albtraumhaften Klänge gibt es einen engen Zusammenhang mit der Ausstellung zur Blockade von Leningrad und die Besucher*innen können das in der Rauminszenierung intensiv erfahren.
Gleichzeitig habe sie aber keinen Soundtrack zur Ausstellung geschrieben, sagt Roma. Viel mehr gebe es Überschneidungspunkte mit dem Raum und der Ausstellung im Flandernbunker. Der Sound, den sie geschaffen hat, verarbeitet aber sämtliche Arten von traumatischen Ereignissen. Deswegen soll er auch möglich subtil bleiben und nicht sofort an Krieg erinnern.
“Ich habe einfach viele Dinge des Alltags aufgenommen, wie zum Beispiel Treppen laufen oder Gläserklirren. Geräusche, die wir manchmal gar nicht mehr wahrnehmen, weil sie so normal für uns sind. Die Geräusche habe ich genommen und dann mithilfe von Verzerrungen, Effekten und Überlagerungen zu den Soundelementen geformt.”
Fast vier Monate hat sich Roma jetzt mit dem Soundelementen auseinandergesetzt und dann mit dem schwarzen Körper zu einer Raum-Klang-Installation verbunden. Und je mehr sie sich die Töne angehört hat, desto mehr hat sie in die Soundelemente hineingefunden – die natürlich von allen Besucher*innen unterschiedlich empfunden werden.
„Für mich hat das alles schon eine andere Form, als für Menschen, die hier in die Installation reingehen. Oder auch für Menschen, die vielleicht Krieg miterlebt haben oder ein anderes Trauma erlebt haben. Ich finde es spannend, mit Menschen darüber zu reden, wie sie das alles aufnehmen. Ich freue mich, wenn Menschen kommen und sich die Installation anhören und die Ausstellung anschauen. Ich finde es unglaublich wichtig, dass die Geschichte von Leningrad weitererzählt wird, die ich vorher auch nicht kannte.“
Die audiovisuelle Installation „872 Tage“ von Roma-Nastasia Nebel ist bis zum 17. April im Flandernbunker in der Ausstellung zur Blockade Leningrads zu sehen. Die ist täglich von 10 – 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet für Studierende drei Euro. Es gilt 2G.
Der Beitrag zu Romas Raum-Klang-Installation in der Ausstellung zur Leningrad-Blockade ist wunderbar gemacht.
Herzliche Grüße aus dem Flandernbunker!