Sie schreibt gerade ihre Bachelorarbeit an der FH Kiel und ist jetzt mit 25 Jahren die jüngste Landtagsabgeordnete in Schleswig-Holstein. Moritz hat die Grünen-Abgeordnete Nelly Waldeck einen Tag lang im Landeshaus begleitet und waren bei ihrer ersten Rede mit dabei.
Um 8:30 Uhr geht für Nelly Waldeck der Tag los. Mit dem Fahrrad kommt sie zum Landeshaus. Wie einst Joschka Fischer trägt sie weiße Turnschuhe, dazu eine Jeans, ein blaues Shirt und eine große, rote Jacke.
Durch den Haupteingang geht es vorbei an den Pförtnern hinein ins Landeshaus. Im 1. Stock liegen die Fraktionsräume der Grünen. Auf dem Gang trifft sie Jasper Balke. Er ist mit 24 Jahren der jüngste, sie mit 25 Jahren die jüngste Landtagsabgeordnete in Schleswig-Holstein. Sie tauschen sich über die verschobene Rede von Jasper Balke aus. Für die 25-jährige ist es mit der ersten Rede aber schon heute soweit. Davor geht es aber erst mal in ihr Büro, das sie mit dem Landwirtschaftspolitiker Dirk Kock-Rohwer teilt. Noch ist der helle, weiße Raum nicht eingerichtet, aber nach der Sommerpause wird es dann gemütlicher, sagt sie.
Der Tagesplan sieht um 9.30 Uhr eine Vorbesprechung zur Plenarsitzung vor, die dann im Anschluss um 10 Uhr beginnt. Zuerst werden die Nachrücker vereidigt, anschließend folgt eine aktuelle Stunde und dann kommen die einzelnen Anträge. Am Nachmittag hält sie dann bei Tagesordnungspunkt 12 eine Rede zur Einrichtung eines Jugendchecks. Es ist ihre erste Rede im Landtag.
Nelly Waldeck kommt aus der Nähe von Kiel, wo sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester gewohnt hat. “Ich bin schon als so ein Individual-Öko aufgewachsen. Ich habe früh von meinen Eltern gelernt, dass ich viel Fahrrad fahren und den Kühlschrank nicht so lange auflassen soll. Aber gleichzeitig wurde nicht großflächig thematisiert, was politisch verändert werden muss, damit sich etwas ändert. Die Dimension habe ich später selbst gelernt.”, sagt die Grünen-Abgeordnete, die Studierende in Kiel von ihrem Engagement bei Fridays For Future und bei der Grünen Jugend. Sie hat Demonstrationen organisiert und Forderungen an die Politik gestellt. Dann aber feststellen müssen, dass sie dann bei den Entscheidungen nicht dabei sein darf. So kam es dann dazu, dass sie sich entschlossen hat, in die Landespolitik zu gehen.
Im Wahlkreis Kiel-Ost wurde sie als Direktkandidatin aufgestellt, konnte sich aber nicht gegen Seyran Papo von der CDU durchsetzen. Dafür aber stand Nelly Waldeck bei den Grünen auf Listenplatz 7 und zog darüber in den Landtag ein. Ihre Schwerpunktthemen sind Klima-, Verkehrs- und Jugendpolitik. Sie setzt sich somit für Themen ein, für die sie sich auch während ihres Studiums engagiert hat. Aber erst mal geht es runter zum Fototermin. Auf dem Weg nach unten ist nochmal Zeit, sich kurz mit Jasper Balke auszutauschen, der sich gerade einen Tweet überlegen muss. Max Mordhorst hat sich mal wieder ausgetobt und Jasper Balke fehlt noch eine Antwort.
Auf den Stufen vor dem Landtag versammeln sich alle Abgeordneten der Grünen-Fraktion zu einem gemeinsamen Foto. Die Fraktion umfasst 14 Abgeordnete, Fraktionsvorsitzender ist Lasse Petersdotter. Der studierte früher übrigens auch an der CAU und saß im AStA. Jetzt sind Jasper Balke und Nelly Waldeck die beiden einzigen Landtagsabgeordneten, die noch an Hochschulen eingeschrieben sind. Und auch mit ihrem Alter senken sie den Schnitt im Landtag. Nelly Waldeck wünscht sich daher mehr Diversität im Parlament. Der Landtag sei zu weiß und zu männlich, so die Kielerin: “Beispielsweise verhandelten wir in den Koalitionsverhandlungen im Verkehrsteil mit zwei Frauen, acht Männern, und ich war mit zehn Jahren Abstand die Jüngste. Das merkt man natürlich in den Diskussionen. Ich habe mich aber dazu entschieden, mich nicht anzupassen, weil wir aus den verschiedenen Altersgruppen einen Mehrwert ziehen sollten. Das heißt auch, dass ich mich nicht wie eine alte Person verhalte, sondern so wie ich bin.”
Aber auch für Nelly Waldeck wird sich wohl einiges in den kommenden Jahren verändern. Ihr Studium der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Kiel geht langsam zu Ende, gerade steckt sie in der Korrektur ihrer Bachelorarbeit.
Neben ihrem Studium kellnerte sie im Blauen Engel und war später Geschäftsführerin der Grünen Jugend. Einen Nebenjob braucht sie jetzt als Landtagsabgeordnete nicht mehr. Nelly Waldeck bekommt für ihre Arbeit eine Diät in Höhe von 9.117€/brutto im Monat. Davon abgezogen werden noch die Einkommenssteuer, Krankenversicherung aber auch freiwillige Abgaben an Fraktion und Partei. Für ihre Arbeit als Landtagsabgeordnete wird Nelly Waldeck mehr im Fokus der Öffentlichkeit stehen, und ihre Arbeit ist auch kein 9-to-5-Job. Ihre Tage beginnen meist gegen neun Uhr, zuhause ist sie häufig erst gegen 23 Uhr.
Und im Alltag jagt ein Termin den nächsten. Es ist 9.30 Uhr, die Vorbesprechung der Grünen zur Plenarsitzung steht an. 13 von 14 Abgeordneten der Fraktion sitzen an einem großen, runden Tisch, um die Plenarsitzung zu besprechen. Nelly nutzt die Besprechung für eine Frühstückspause. Es gibt ein selbstgeschmiertes Brötchen mit Aufstrich und Tomaten. Noch herrscht eine entspannte Atmosphäre, nur der Kaffee fehlt allen. Es ist Zeit für letzte Fragen, und dann steht auch schon die Plenarsitzung an, für Nelly Waldeck ist es die Zweite. Beginn: Punkt 10 Uhr. Auf dem Weg zum Plenarsaal dröhnt der Gong der Sitzung durch die Gänge des Landtags.
Im Landtag sitzt die Grünen-Fraktion zwischen dem SSW und der SPD. Nelly Waldeck nimmt in der zweiten Reihe Platz. Zu ihrer Rechten sitzt die Grünen-Abgeordnete Eka von Kalben, links Sibylla Nitsch vom SSW. Laptop, Handy und iPad liegen auf ihrem Tisch. Ihre erste Rede hält Nelly Waldeck dann am Nachmittag gegen 15.30 Uhr. Beim Tagesordnungspunkt 12 geht es um die Einführung eines Jugendchecks. Die Idee ist, dass alle Gesetzesvorhaben auf ihre Auswirkungen für Jugendliche diskutiert werden. Nach den Reden von SSW und CDU ist die 25-jährige an der Reihe. Sie wird von der Landtagspräsidentin aufgerufen, ihre Rede dauert dann fast drei Minuten. Sie plädiert für die Einrichtung eines Jugendchecks. Der Antrag wird im Anschluss angenommen.
Nach weiteren Debatten endet die Sitzung um kurz nach 17 Uhr. Danach geht es für Nelly Waldeck in ihre 4er-WG in Kiel, wo sie mit drei Studierenden zusammen wohnt. “Ich finde das einen richtig angenehmen Ausgleich, weil ich da dann merke, dass ich eigentlich noch ein junger Mensch bin. Manchmal komme ich nach der Arbeit nach Hause und möchte mich noch an meinen Rechner setzen, aber dann kommen meine Mitbewohner*innen und sagen: Komm’ in den Garten, wir grillen gerade.”